Verlängerte Gewährleistungsfrist
Eine Gewährleistungsfrist von zehn Jahren kann wirksam mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) des Auftraggebers vereinbart werden.
Auch im Fassadenbau ist hinsichtlich der Dichtigkeit der Konstruktionen eine solche Verlängerung der Gewährleistungsfrist gemäß BGB und VOB/B möglich. Auftragnehmer sind darum gut beraten, alle Vertragsdokumente genau zu studieren und zu prüfen.
Viele Baubeteiligte sehen es als ihre Aufgabe an, bauliche Anlagen zu planen und zu errichten. Dies erscheint bei erster Betrachtung zwar als absolut richtig; hierbei gerät es jedoch oft in den Hintergrund, dass im Rahmen des Zustandekommens sowie bei der Abwicklung des Bauvertrages die Vertragsdokumente und entstehenden Schriftstücke zu lesen und auch auf rechtlichen Gehalt hin zu prüfen sind, um den wirtschaftlichen Erfolg des Bauprojekts nicht zu gefährden.
Eine kürzlich veröffentlichte Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart erinnert daran, wie wichtig es ist, im Rahmen des Vertragsabschlusses auch die ergänzenden Regelwerke zu studieren und das Abnahmeprotokoll – vor Unterzeichnung – u.a. auf Abweichungen zum Bauvertrag hin zu prüfen.
Aktueller Fall
Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer im Rahmen eines VOB-Bauvertrages mit dem Umbau, der Sanierung und Erweiterung eines Hallen- und Freizeitbades. Der Bauvertrag sieht eine Gewährleistungsfrist für die Leistungen des Auftragnehmers von grundsätzlich fünf Jahren vor.
Die Gewährleistungsfrist für alle Dichtungsarbeiten dagegen soll nach den vereinbarten AGBs des Auftraggebers zehn Jahre betragen. Im Rahmen der Abnahme der vom Auftragnehmer ausgeführten Leistungen enthält das Abnahmeprotokoll einen Vermerk dahingehend, dass die Gewährleistung des Auftragnehmers nach fünf Jahren endet. Nach der Abnahme behauptet der Auftraggeber, die vom Auftragnehmer ausgeführten Arbeiten würden gravierende Dichtungsmängel aufweisen.
Nach dem Ablauf von fünf Jahren, aber vor Ablauf von zehn Jahren, fordert der Auftraggeber schließlich vom Auftragnehmer wegen erheblicher Abdichtungsmängel mit gerichtlicher Hilfe Schadensersatz in Höhe von 2.996.244,44 Euro nebst Zinsen. Der Auftragnehmer verteidigt sich mit dem Hinweis auf eine Verjährung etwaiger Ansprüche des Auftraggebers (OLG Stuttgart, Urteil vom 17.10.2017, Az. 10U55/17; BGH Beschluss vom 25.03.2020, Az. VIIZR247/17).
Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart
Die Klage des Auftraggebers auf Schadensersatz ist erfolgreich. Das Oberlandesgericht Stuttgart folgt der Verjährungsargumentation des Auftragnehmers nicht. Im Rahmen der Urteilsbegründung befasst sich das Gericht mit zwei für die Baupraxis wichtigen Themen, die im Rahmen des Tagesgeschäftes oftmals aus dem Blick geraten.
Zunächst stellt das Oberlandesgericht fest, dass die im Vertrag vorgesehene Gewährleistungsfrist für Dichtungsarbeiten von zehn Jahren wirksam ist. Durch eine individuelle Vereinbarung der Parteien könne – so das Oberlandesgericht – die gesetzliche Verjährung ohnehin bis zur Grenze von 30 Jahren(!) verlängert werden. Eine wirksame Verlängerung der Verjährungsfrist auf zehn Jahre in Allgemeinen Geschäftsbedingungen komme bei Dichtungsarbeiten durchaus in Betracht.
Das Gericht weist auf ähnlich gelagerte Entscheidungen betreffend Flachdacharbeiten und Arbeiten an einer Glasfassade hin; hier wurde vom Bundesgerichtshof bzw. vom Oberlandesgericht Köln festgestellt, dass es ein erhöhtes Bedürfnis des Auftraggebers an einer ausreichenden Bemessung der Verjährungsfrist gebe.
Dies deshalb, weil bei Flachdacharbeiten oder bei Glasfassaden Probleme hinsichtlich der Dichtigkeit erfahrungsgemäß erst später als fünf Jahre nach der Abnahme sichtbar würden. Insofern könne die Verjährungsfrist für Abdichtungsmängel sowohl im Rahmen einer individuellen Vereinbarung als auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf zehn Jahre wirksam verlängert werden. Im Übrigen sei die vertraglich festgelegte Dauer der Verjährungsfrist für Dichtungsarbeiten durch den Vermerk im Abnahmeprotokoll nicht von zehn auf fünf Jahre verkürzt worden.
Aus Sicht des Oberlandesgerichts Stuttgart sei dem Abnahmeprotokoll ein die Verjährungsfrist für Dichtungsarbeiten von zehn auf fünf Jahre verkürzender Inhalt, nach eingehender Auslegung des Protokollinhalts, nicht zu entnehmen (OLG Stuttgart, Urteil vom 17.10.2017, Az. 10 U 55/17; BGH, Beschluss vom 25.03.2020, Az. VII ZR 247/17).
Für die Praxis
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart zeigt, dass Vertragsdokumente vor Unterzeichnung des Bauvertrages geordnet zu studieren sind und dass die Baubeteiligten das Abnahmeprotokoll vor Unterzeichnung daraufhin durchzusehen haben, ob sich Vermerke finden, die vom Bauvertrag abweichen.
In vielen Bauverträgen – auch im Fassadenbau – finden sich im Bauvertrag oder in ergänzenden Regelwerken Gewährleistungsfristen von vier bzw. fünf Jahren, beginnend mit dem Abnahmezeitpunkt. Mit Blick auf die Entscheidung aus Stuttgart sollte insbesondere der Bauauftragnehmer beachten, dass bei Dichtungsarbeiten vertragsrechtlich die Möglichkeit besteht, die Gewährleistungsfristen des Gesetzes sowie gegebenenfalls der VOB/B erheblich zu verlängern (10/30 Jahre).
Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart kann eine Gewährleistungsfrist von zehn Jahren in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam vereinbart werden. Gerade Allgemeine Geschäftsbedingungen des Auftraggebers werden im Rahmen des Vertragsabschlusses vom Auftragnehmer oftmals nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchgesehen.
Daneben werden die Baubeteiligten – auch hier insbesondere die Auftragnehmerseite – daran erinnert, dass die Abnahme beispielsweise einer Fassadenbauleistung längst kein ausschließlich technischer Vorgang mehr ist. Mittlerweile ist mehrfach entschieden, dass im Rahmen des Abnahmeprotokolls durch entsprechende Vermerke der Bauvertrag abgeändert werden kann.
Die einschlägigen Gerichtsentscheidungen betreffen insbesondere die Verlängerung von Gewährleistungsfristen. Stellt der Auftragnehmer also fest, dass im Abnahmeprotokoll von der Auftraggeberseite eine vom Bauvertrag abweichende Verjährungsfrist notiert ist, sollte er die Unstimmigkeit in jedem Fall vor Unterzeichnung aufklären.
Von Rechtsanwalt Jörg Teller
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